Tag 19: Frida Kahlo

Um uns von der stressigen ersten Uniwoche zu erholen, fahren wir nach Mexiko-Stadt und schauen uns das Museum von Frida Kahlo an. Oder besser gesagt: ihre Wohnung. La Casa Azul, „das blaue Haus“, in dem die Künstlerin zusammen mit ihrem Ehemann Diego Rivera gelebt und gearbeitet hat, ist offen zugänglich.

Wir betreten den Innenhof, in dem tausende Pflanzen durcheinander wuchern. Außer dem gleichmäßigen Plätschern von einem Springbrunnen herrscht Ruhe.

Wir schauen uns die einzelnen Räume des Hauses an: die Küche, das Arbeitszimmer mit Leinwänden, Pinseln und Farben, die Bibliothek und das Schlafzimmer. Frida hatte zwei Betten: eins zum schlafen und ein zweites „Tagesbett“ mit einem Spiegel an der Decke. Hier hat die Künstlerin ihre Selbstporträts gezeichnet.

Kameras sind leider nur in einer Sonderausstellung erlaubt, in der Fridas Kleider und Accesoires zu sehen sind. Ihr Kleidungsstil ist mindestens genauso interessant und inspirierend wie ihre Wohnräume: Typisch für Frida sind bodenlange Röcke, Blusen mit Blumenmuster und ein extravaganter Haarschmuck.

Heimlich knipse ich noch Schnappschüsse von ihrem Notizbuch und ihrem berühmten Satz „Pies para que los tengo, si tengo alas para volar“ „Wofür brauche ich Füße, wenn ich Flügel zum fliegen habe“.

Tag 17: Studentenleben

Am ersten Unitag fühle ich mich wie ein Erstklässler an seinem ersten Schultag. Statt Schultüte habe ich ein Wörterbuch dabei. Für Alltagsgespräche reichen meine Spanischkenntnisse zwar (mein Niveau liegt irgendwo bei B2 vermischt mit chilenischem Slang durch mein Praktikum in Santiago vor drei Jahren). Aber ist das genug für die Universität?

Die erste Woche startet ein wenig hektisch: Ich verirre mich regelmäßig in den Gebäuden und komme zu spät. Ein Raum wird spontan geändert und ich finde mich in einem Kurs mit Krankenschwestern in weißen Kitteln wieder. Ich muss lachen und flüchte aus dem Raum.

Ich laufe über den Campus der UPAEP. An den Wegen reihen sich kleine Springbrunnen und Blumenbeete aneinander. Die Studenten chillen in Sitzecken in der Sonne oder auf der großen Wiese vor der Cafetería, wo ich die Mädels aus meinem Haus treffe.

Der Campus ist so klein und zentral, dass man immer wieder jemanden zum plaudern trifft. Wir trinken einen Kaffee und ich bin erleichtert, als ich höre, dass es den anderen genauso geht wie mir.

Was mich am meisten an der Uni überrascht ist die Pünktlichkeit und Produktivität, die jedes Stereotyp von Mexikanern infrage stellt. Ich habe zweimal die Woche um 7 Uhr (!) Uni und es gilt Anwesenheitspflicht. Bereits am dritten Tag führe ich ein Interview auf Spanisch, das ziemlich holprig verläuft. Dafür komme ich in den Kursen sehr gut mit. Wer allerdings mehr als fünf Minuten zu spät kommt, bekommt einen Fehltag. Wer hätte gedacht, dass ich es in Mexiko lerne pünktlich zu sein?

Nach einer Woche habe ich zwei Kurse abgewählt und einen dazugenommen  mein Stundenplan steht! Ich belege vier Journalismus-Kurse:

  • Periodismo Digital (Digitaler Journalismus)
  • Laboratorio Audiovisual (Audiovisuelle Produktion)
  • Producción de Discursos Multimedia (Multimedia-Produktion)
  • Nuevos Medios y Nuevas Tecnologías (Neue Medien & neue Technologien)

Und durch den naturwissenschaftlichen Schwerpunkt an der TU Dortmund auch zwei Kurse aus Medizin und Psychologie:

  • Medicina de la Comunidad (Medizin in der Gesellschaft)
  • Psicología del Desarrollo Humano (Entwicklungspsychologie)

Tag 12: Cholula

Es ist Sonntag und ich mache einen kleinen Ausflug zusammen mit Ale und Marie, zwei Mädels aus meinem Haus. Es geht nach Cholula, einem Vorort von Puebla. Eigentlich ist die Stadt für ihre Partymeile bekannt. Am Tag lohnt sich der Besuch fast noch mehr.

Wir besichtigen das Stadtzentrum und das Wahrzeichen Cholulas  eine knallgelbe Kirche, die auf einem Hügel steht und die wir schon von weitem sehen können. Der vermeintliche Hügel ist in Wahrheit eine zugeschüttete Pyramide: Die Spanier haben die Kirche nach der Eroberung Mexikos einfach darüber gesetzt.

Oben angekommen haben wir einen wunderbaren Ausblick auf den Vulkan Popocatépetl, der im Moment aktiv ist. Feine Rauchwolken steigen aus seiner Spitze empor.

Wir legen uns auf die Wiese neben der Kirche und genießen den Sonnenuntergang, bevor wir nach Puebla zurückkehren. Auf der Rückfahrt werden wir ein wenig nervös: Schlagartig fällt uns ein, dass morgen die erste Uniwoche beginnt.

5 Dinge an denen du merkst, dass du (wieder) in Lateinamerika bist:

Es gibt für alles (wirklich, für alles!) einen eigenen kleinen Laden. Zum Beispiel einen nur für Töpfe und Pfannen. Einen nur für Geschenkpapier. Für Autorreifen. Oder für Bilderrahmen.

Schlaglöcher, Steine, unvorhergesehene Erhebungen: Stolpern auf dem Fußweg gehört dazu wie der Taco in der Hand.

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Plastiktüten in Massen! Egal ob eine Packung Kaugummis im Laden oder ein einzelner Apfel auf dem Markt: Alles wird eingepackt.

Der Straßenverkehr ist ein undurchdringliches Chaos. Blinker scheinen in den Autos nicht eingebaut sein. Ich warte an jeder Kreuzung bis ein Mexikaner die Straße überquert, dem ich hinterhereilen kann.

Und zu guter Letzt: Die Menschen sind unendlich herzlich. Wer einen Laden betritt, wird direkt vom Verkäufer angestrahlt: „Kann ich Ihnen helfen?“, „Haben Sie alles gefunden?“, „Hoffentlich bis bald!“. Dabei hallt Reggaeton aus allen Ecken, als wäre das Leben eine endlose Party.

Tag 11: Pyramiden von Teotihuacán

Der erste Wochenend-Trip geht nach Teotihuacán: eine Ruinenstadt, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Jessie, eine der Französinnen aus meinem Haus, begleitet mich. Mit dem Bus geht’s knapp drei Stunden in Richtung Nordosten.

Wir kommen kurz vor 9 Uhr an, noch bevor die Touristenmassen die Tempel und Pyramiden überrollen. Wir steigen aus dem Bus und einige Einheimische kommen mit Tabletts mit Pulque auf uns zu, ein milchig-trübes Nationalgetränk, das wie Tequila aus Agaven gewonnen wird. Jessie und ich bedanken uns und schlagen zu.

Während ein leckerer, süßlicher Geschmack auf der Zunge bleibt, betreten wir die Kulturstätte: Die Ruinenstadt eröffnet sich vor uns mit zwei großen Pyramiden und vielen kleineren Gebäuden. Wir schlängeln uns durch das Labyrinth von Mauern, es herrscht eine fast magische Stille.

Wir erklimmen die größere der beiden Pyramiden, die Pirámide de Sol oder Sonnenpyramide. Das Kuriose an dem Ort: Bis heute wissen Forscher nicht, welches Volk die Stadt errichtet hat es waren weder die Mayas, noch die Azteken. Ungefähr 750 Jahre nach Christus hat das fremde Volk seine Heimat aus völlig unbekannten Gründen verlassen und die Ruinenstadt hinterlassen, auf die wir nun von der Spitze der Sonnenpyramide schauen.

Tag 6: Puebla!

Was für ein herzlicher Empfang! Neben Maggie aus den USA lerne ich die anderen vom Casa Talavera kennen: Ich wohne zusammen mit einer Peruanerin, einer Brasilianerin, einer Koreanerin, einem Deutschen, drei Französinnen und einem Haufen Spanier.

Insgesamt sind wir 16 Austauschstudenten. Das Haus hat genug Platz für uns: Die Zimmer verteilen sich auf drei Stockwerke, es gibt eine Gemeinschaftsküche, ein Wohnzimmer, einen kleinen Garten und das Beste: eine Dachterasse.

Das Besondere an unserem Haus aber sind die bemalten Wände. Auf meinem Flur gegenüber meiner Zimmertür prangt ein Gepard mit bunten Blumen. Ich hänge die mitgebrachten Fotos von Freunden und Familie über meinem Schreibtisch auf und lasse mich aufs Bett fallen. Ein neues Zuhause.

Am nächsten Morgen wache ich auf voller Tatendrang: Ich bin neugierig darauf, endlich die Stadt kennenzulernen. Ich laufe die Haupteinkaufsstraße, die 5 de Mayo, entlang, in der sich Klamottenläden aneinanderreihen.

Die eigentlichen Geschäfte laufen aber vor den Läden ab. Verkäufer stehen an ihren Ständen und schreien die Preise durch die Menge: Mangos und Ananas für 50 Cent das Kilo, gegrillte Maiskolben und Tacos für einen Euro. Zwei Jungs pressen frischen Orangensaft im Sekundentakt.

Ich erreiche den Zócalo, an dem sich auch die Kathedrale befindet. Oder besser gesagt, die Hauptkathedrale: Puebla hat insgesamt 365 Kirchen und Kapellen, die neben den Talavera-Kacheln ein Markenzeichen der Stadt sind.

Eine Straße weiter setze ich mich in ein Restaurant und frage nach dem typischsten Essen aus Puebla. Der Kellner serviert mir Mole Poblano: Hähnchen mit Reis und Mole, einer Soße aus einer etwas seltsamen aber sehr leckeren Kombination aus Schokolade, Nüssen und natürlich – Chilis.

Tag 5: Im Salsarausch

Was eine Nacht! Paty und Aturo, meine Freunde aus Mexiko-Stadt, haben mich zum feiern mitgenommen. Wir waren in einem Club, der sich als verwirrende Mischung aus Disco, Salsa-Livemusik und Karaoke herausgestellt hat.

Fünf Stunden und viele Shots später finden wir uns in einem Tacoladen wieder: Es ist Patys und Aturos Lieblingsstand, in den sie traditionell nach dem Feiern gehen.

Es ist 6 Uhr morgens. Der Laden ist voll von Partygästen, Mariachi-Musik dröhnt aus den Lautsprechern und Kellner schaffen Tabletts mit Tacos und hausgemachter Salsa heran. Limetten fallen herunter und rollen über den Boden. Überrascht stelle ich fest, dass Chillis unter Tequilaeinfluss gar nicht mehr so scharf sind.

Jetzt sitze ich im Bus in Richtung Puebla  übermüdet und mit Magenschmerzen. Aber das ist zweitrangig: Es überwiegt die Vorfreude, meinen Studienort kennenzulernen.

Fünf Monate werde ich im Casa Talavera wohnen, einem Haus für Austauschstudenten. Insgesamt gibt es fünf solcher Häuser von Sí Señor eine Gemeinschaft, die Wohnungen, Partys und Reisen anbietet. Bereits von Deutschland aus konnte ich mit einem einminütigen Bewerbungsvideo einen Platz ergattern.

Im Uber (die Taxi-Alternative ist hier im Gegensatz zu Deutschland erlaubt) geht’s von der Busstation zu meiner neuen Bleibe. Ich schaue aus dem Fenster und es rauschen Häuser mit bunt bemalten Kacheln vorbei.

Ich bin da: Der Haupteingang ist mit blauer und weißer Farbe bemalt, in großen Lettern steht dort „Casa Talavera“. Ein Mädchen mit langen braunen Haaren und einer pinken Jacke macht mir auf und und empfängt mich euphorisch auf Spanisch: „Hey, ich bin Maggie! Du bist die Neue? Willkommen, komm rein!“

Tag 3: In der Hauptstadt

Mexiko-Stadt! Schon beim Anflug wird mir deutlich, dass ich in der größten Metropole Lateinamerikas lande. Unter mir erstreckt sich ein endloses Schachbrettmuster aus Straßen und Hochhäusern, Autos stauen sich an jeder Kreuzung, es blinkt und leuchtet.

Es ist 20 Uhr als ich aus dem Flugzeug steige und als Begrüßung stößt mir die kalte Luft ins Gesicht. Mexiko-Stadt als auch mein Studienort Puebla liegen auf einer Hochebene von 2000 Metern – am Tag wird es angenehm warm wie bei uns im Frühling, in der Nacht fällt die Temperatur bis auf 5 Grad ab. In den kommenden Monaten werde ich mich im Zwiebel-Look kleiden müssen.

Am Terminal wuseln tausende Passagiere umher, Menschen stolpern über herumstehende Koffer, alles brabbelt auf Spanisch. Da sind sie! Paty und Aturo, meine Freunde die ich aus Chile kenne, laufen mir entgegen. Ich falle ihnen erschöpft, aber glücklich in die Arme.

In den kommenden drei Tagen führen mich die beiden durch ihre Heimatstadt. Ich laufe ihnen hinterher – begeistert und orientierungslos zugleich. Sie zeigen mir das historische Zentrum mit dem Plaza de Constitución (Hauptplatz, auch Zócalo genannt), dem Palacio Bellas Artes (Kulturzentrum) und dem Ángel de la Independencia (eine knapp 100 Meter hohe Säule auf der ein Engel thront).

Weiter geht’s mit der stets überfüllten und etwas stickigen Metro. Nach fünf Stationen landen wir im Künstlerviertel Coyoacán. Hier fühle ich mich wohl: Der Stadtteil ist ruhiger als das Zentrum, es gibt Galerien, Cafés mit bemalten Wänden und die Musiker spielen auf der Straße.

Wir bekommen Hunger und setzen uns in eins der gemütlichen Restaurants, wo wir Tacos, Enchiladas und Pozole (Eintopf aus Mais und Hühnerfleisch) bestellen. Meine Freunde lehnen sich zufrieden zurück, als sie in ihre Tacos beißen – ich kriege den ersten Salsa-Schärfeschock meines Lebens. Ob ich mich in den kommenden fünf Monaten daran gewöhne?

Tag 1: Abflug nach Mexiko-Stadt

Es geht los! Gleich hebt mein Flieger ab in Richtung Mexiko. Ich werde in Mexiko-Stadt landen, wo ich zwei Freunde nach mehr als drei Jahren wiedertreffe. Die beiden werden mich in den ersten Tagen aufnehmen und mich durch den Hauptstadt-Dschungel führen.

Anschließend geht’s nach Puebla, zwei Autostunden südöstlich von Mexiko-Stadt entfernt. Hier werde ich für ein Semester an der Universidad Popular Autónoma del Estado de Puebla (kurz UPAEP) studieren.

Nach meinem Auslandssemester plane ich, weiter in den Süden zu reisen. Wohin genau und wie lange? Das weiß ich noch nicht. Nur der Hinflug ist gebucht, one way, sólo ida. Auf meiner Reise werde ich diesen Blog mit Fotos und kurzen Reiseberichten füllen. Schaut doch ab und zu mal vorbei, ich würde ich mich freuen!

Eine kleine Zahlenstatistik zum Reisestart:

5 kg  Gewicht meines Handgepäcks

15,5 kg  Gewicht meines Rucksacks

20  Fotos von Familie und Freunden zum Aufhängen im mexikanischen WG-Zimmer

56  Tabletten in meiner Reiseapotheke aufgezwungen im Verschreibungswahn meines Hausarztes, darunter ein Breitband-Antibiotikum zum selbst anrühren (ob mich die mexikanischen Behörden damit überhaupt einreisen lassen?)

1000  gefühlte Frequenz meiner Hände vor Aufregung